- Pasargadai, Persepolis und Susa: Die Großkönigsresidenzen
- Pasargadai, Persepolis und Susa: Die GroßkönigsresidenzenDie persischen Großkönige hatten nicht nur eine Residenz. Ähnlich wie die deutschen Kaiser, die ja auch nicht nur in einer Pfalz residierten, zogen sie offenbar mit ihrem Hofstaat zu bestimmten Jahreszeiten in unterschiedliche Gebiete ihrer Kernländer Persis, Medien und Elam. Im heutigen Iran sind drei Residenzen der Achaimenidenkönige bekannt. Zwei im persischen »Ur«-Land, der Persis (heute: Pars bzw. Fars), nämlich Pasargadai und Persepolis, und eine in der alten elamischen Hauptstadt Susa im heutigen Khusistan. Zudem kann man vermuten, dass die Achaimeniden auch in der alten medischen Hauptstadt Ekbatana (heute: Hamadan) zeitweise Hof hielten. Hierzu schweigt aber die Archäologie, denn Hamadan ist eine dicht besiedelte Großstadt, in der sich Grabungen nur schwer durchführen lassen.Nach Arrian, dem Historiker des Alexanderzuges, eroberte Alexander der Große in Pasargadai den Schatz Kyros' II., und an einer anderen Stelle berichtet derselbe Autor, dass sich in Pasargadai (das bedeutet »Lager« oder »Ort der Perser«) ein künstlich bewässerter königlicher Park mit vielen Baumarten und Gras befunden habe. Sonstige Bauten in Pasargadai werden nicht erwähnt. Entweder waren die Bauten damals schon zerfallen, oder Arrian ging es vorrangig um den Schatz des Kyros und dessen Grab, und der Park findet nur nebenbei Erwähnung.Neuere archäologische Untersuchungen in Pasargadai geben uns das Bild eines persischen Gartens, wie wir es von Miniaturen seit dem ausgehenden Mittelalter kennen und wie sie heute noch in einigen Städten Irans existieren. Nach außen geöffnete Paläste sowie kleine Pavillons oder Torbauten sind in einem weiten, gärtnerisch gestalteten Terrain (Kernbereich ca. 700 x 700 m) verteilt. Es ist überraschend, die klassische iranische Gartenkultur schon in Pasargadai vor sich zu sehen. Vor Pasargadai gab es solche Gärten unseres Wissens nicht; und dass sich diese Kultur so lange gehalten hat, mag seine Ursache darin haben, dass sich die Iraner in ihrer trockenen Umwelt ein kleines Paradies schaffen wollten, was ihnen mithilfe der schon früh hoch entwickelten Bewässerungskunst gelang.In Pasargadai war das noch relativ einfach, weil ein Fluss in der Nähe war und nur durch Kanäle abgeleitet werden musste. Um die Zeit des Kyros muss aber auch schon das technisch komplizierte System des Kanat- oder Karesbaus entwickelt gewesen sein, das viele große iranische Siedlungen in der Achaimenidenzeit und späteren Perioden mit Wasser versorgte. Mit dieser revolutionären Technik trieben die Iraner lange unterirdische Schächte in die Geröllfächer von Gebirgen vor und zapften durch sie Grundwasser ab. In der islamischen Zeit drang diese Technik des Schaffens künstlicher Quellen weit nach Westen, bis in das islamische Spanien und von dort nach Mittelamerika. So war Mexiko im 19. Jahrhundert von einem System menschengemachter und von Iranern in der Achaimenidenzeit erfundener Quellen ebenso versorgt wie Teheran.Doch zurück zu Pasargadai: Ob König Kyros seine Residenz je vollendet gesehen hat, wissen wir nicht. Dareios hat hier wohl letzte Hand angelegt und Inschriften anbringen lassen, in denen auch Kyros erwähnt wird. Als gesichert gelten können dagegen Überlegungen, die den Stil der Architektur von Pasargadai betreffen. Einerseits treffen wir auf die Torbauten oder Pavillons, rechteckige, kompakte Hallen von über 20 m Seitenlänge, die wohl über 16 m hoch waren, andererseits auf zwei große Paläste, gekennzeichnet dadurch, dass einem zentralen Raum, dessen Flachdach von Säulen trugen, niedrigere Portiken (Vorhallen) vorgelagert waren. Außerdem charakterisiert diese Architektur eine bauliche Mischtechnik, die vorher im Orient unbekannt war: ein Hausteinrahmen wurde mit Lehmziegeln oder Lehmblöcken ausgefüllt.Bei einem der Torbauten geht man davon aus, dass er in den Propyälen der Griechen sein Vorbild hat. Es ist auch nachgewiesen, dass griechische Handwerker und Bauleute in Pasargadai gearbeitet haben; schließlich hatte Kyros Kleinasien bis an die ionische Küste erobert. Und architektonische Einzelformen, so die Säulenbasen, oder Techniken der Steinbearbeitung sind in Pasargadai ohne das Können griechischer Handwerker nicht denkbar. Dennoch hat dieser Torbau in der dekorativen Gestaltung auch andere, nämlich ägyptische, assyrische und elamische Wurzeln. In den Türgewänden finden wir alle diese Elemente wieder.Ein Weltreich stellt sich in dieser entlehnten und doch auch neuen Kunst dar. Sie ist zwar ein Mischprodukt, »synkretistisch«, hat aber schon in Pasargadai unverkennbar persische Formen. In Persepolis wird dies noch deutlicher sichtbar. In der Kunst von Pasargadai, so wenig uns auch von dem Gesamtkunstwerk Garten und Architektur erhalten ist, wurde ein neuer Schritt in der Kunst des Vorderen Orients getan: Erstmals verbanden sich Elemente des Mittelmeeres und des Alten Orients, künstlerischer Ausdruck der kulturellen und politischen Leistungen der Perser. Diese kulturelle Synthese begann in Pasargadai und setzte sich über Jahrhunderte im iranischen Raum fort, erhielt durch die Eroberungen Alexanders des Großen einen neuen Anstoß und mündete im Hellenismus. Ohne diese Überlagerung und ständige Vermischung wäre die gesamte Kunst des Vorderen Orients seit den Persern nicht verständlich, ebenso wenig später die islamische Kunst.Die beiden Paläste von Pasargadai weisen dabei die Richtung. Dort errichtete man Bauten, wie es sie vorher im Orient nicht gab. Sie sind Ausdruck jenes Zusammenkommens mehrerer Kulturen, der Entstehung von etwas Neuem und damit der Überwindung der Kultur des Alten Orients. Und unter solchem Blickwinkel sollte man vielleicht diese ganze Periode sehen, im Sinn von Herodot und Aischylos' »Persern«: Es brach eine neue Geschichte an. Nicht Wehrbauten und nach außen abgeschirmte Bauten entstanden in Pasargadai, sondern offene Paläste, die nur weiträumig eingefriedet waren: die stolze Repräsentationsarchitektur eines neuen Weltreichs.Die beiden Paläste haben je einen festen und hohen Innenraum; Wohnfunktion hatte er wohl nicht. Vielleicht zog es der Großkönig vor, in seinem großen Park in Pavillons oder Zelten zu nächtigen, wie das von späteren iranischen Herrschern belegt ist. Bei einem der Paläste sind diesem Raum an den Längsseiten Portiken vorgelagert, beim anderen finden sich solche an allen vier Seiten. Auch dieser Bautyp ist im Vorderen Orient vor der Achaimenidenzeit nicht belegt. Man führt ihn gleichfalls auf eine Kombination griechischer Elemente, nämlich der Stoa (= Vorhallen), mit einem Bautyp zurück, der sich schon im voriranischen Iran und in Anatolien findet: der hohen Halle.Den Park-Palast-Bereich überragt im Norden am Hang eines Berges eine große, aus fein behauenen Quadern im ionischen Stil errichtete Terrasse. Früher hielt man sie für ein Heiligtum. Neuere Ausgrabungen zeigen aber, dass hier eine ausgedehnte, aus Lehmziegeln errichtete Anlage stand. Sie wurde bis in die islamische Zeit benutzt und entsprechend oft verändert, was ihre archäologische Deutung erschwert. Vielleicht war die Terrasse dafür vorgesehen, die eigentliche Residenz, die »Burg« des Kyros, zu tragenDass vielleicht auf der Terrasse von Pasargadai eine prachtvolle Residenz des Kyros geplant war, legt der Bau des Dareios in Persepolis (was ebenso wie Pasargadai »Stadt der Perser« bedeutet) nahe. Hier wurde abermals am Hang eines Berges eine große Terrasse angelegt; Dareios und sein Sohn Xerxes errichteten darauf ihre Bauten. Unterhalb der bis zu 15 m die Umgebung überragenden Terrasse lagen aber offenbar in einem ausgedehnten Gartenareal auch kleinere Paläste und große Häuser von Höflingen und Adligen. Gründlich erforscht sind jedoch nur die Bauten auf der Terrasse.Im Nordwesten bildet eine monumentale Doppeltreppe) den einzigen Zugang. Über sie gelangt man in das »Tor der Länder«, wie dieser Bau in einer Inschrift des Xerxes genannt wird, eine den Torbauten von Pasargadai ähnliche Anlage quadratischen Grundrisses. Das Dach wurde von vier Säulen getragen, die Portale im Westen und Osten flankierten nach assyrischen Vorbildern gestaltete Fabelwesen. In diesem Torbau stand wohl ein Thron, auf dem der Großkönig zu bestimmten Anlässen Audienz gewährte. Die Bedeutung »Tor der Länder« wird aber erst klar, wenn man sich von diesem Tor nach Süden der Apadana, dem großen Empfangspalast, zuwendet.Sein Grundriss ähnelt denjenigen der beiden Paläste in Pasargadai. Unter den Fundamenten fanden sich Gold- bzw. Silberplatten mit Inschriften in Akkadisch, Elamisch und Altpersisch, auf denen Dareios sich als Herrscher eines Reiches bezeichnet, das sich von Indien bis Äthiopien erstreckt, und um den Schutz Ahura Masdas für sich und sein Königshaus bittet. Einer großen zentralen Halle sind im Norden, Osten und Westen Portiken vorgelagert. An der vierten Seite liegen Gruppen von kleinen Räumen, wohl Wohn- oder Schlafräume. Im Gegensatz zu Pasargadai haben hier die Portiken aber dieselbe Höhe wie die zentrale Halle, deren Dach von 36 Säulen von 25 m Höhe getragen wurde. Mit einer Grundfläche von 60,5 m x 60,5 m ist sie der größte Raum, der bis dahin im Alten Orient geschaffen wurde. Säle babylonischer oder assyrischer Paläste nehmen sich dagegen bescheiden aus. Mit ihrer Gesamtgrundfläche (einschließlich der Portiken) von 3600 m² ist die Apadana von Persepolis beispielsweise viermal so groß wie der größte bekannte Thronsaal in Mesopotamien, der des Nebukadnezar in Babylon.Auch in der Fassadengestaltung wurden hier neue Wege beschritten. Die Apadana erhebt sich ca. 3 m über ihre Umgebung, und Treppen führen von Norden und Osten zu den beiden Portiken. Dagegen war der Westportikus direkt von der zentralen Halle aus zugänglich. Er überragte die Terrasse, und von ihm genießt man einen wunderbaren Ausblick auf die Ebene um Persepolis. Die Wände zwischen den beiden anderen Portiken und dem das Bauwerk umgebenden Grund sind mit drei übereinander liegenden Reihen von Reliefs geschmückt, die das verbildlichen, was der Name »Tor der Länder« nur abstrakt ausdrückt. Die Völkerschaften des von Indien bis Äthiopien ausgedehnten Reiches machen dem Großkönig ihre Aufwartung.Solche Darstellungen von Aufzügen unterworfener oder zum Reich gehöriger Völkerschaften kennen wir schon aus dem 3. Jahrtausend aus Ur. Der Blick für das Einzigartige und das Detail findet sich aber nur in Persepolis, die frühere Reliefkunst war formalisierter und somit weniger lebensnah. In Persepolis sehen wir jedoch die verschiedenen Völker des Achaimenidenreichs in ihrem tatsächlichen Aussehen und mit ihren Gaben, jeweils charakteristische Produkte ihrer Länder, dargestellt; da findet man verschiedene Pferderassen, Rinderarten, Kamelarten, Widder, Löwen, Maulesel, Ziegen, Giraffen oder Antilopen, aber auch verschiedene Stoffe, Felle oder Gefäße. Damit wird die Deutung dieses »Thronsaals« relativ sicher. Hier empfing der Großkönig, wohl an einem bestimmten Festtag, wahrscheinlich dem heute noch von den Persern als Hauptfest angesehenen (persischen) Neujahrstag, Abordnungen von 23 Reichsvölkern, die an der Spitze jeweils von persischen oder medischen Einführern, also Angehörigen der zwei Kernvölker des Reiches, geleitet wurden. Man kann sich vorstellen, dass diese Delegationen von dem prachtvoll gestalteten Empfangssaal mit seinen griechisch kannelierten Säulen auf Basen in ägyptischem Stil, von den Zedernbalken sowie den nur in Persepolis zu findenden Komposit- oder Tierkapitellen, auf denen die Decken aufruhten, geradezu überwältigt waren.Wie jedoch die dort gefundenen beschrifteten Tontafeln zeigen, diente die Residenz von Persepolis nicht nur zur Feier des Neujahrsfestes. Denn neben der Apadana treffen wir auf weitere Gebäude. Vom Vorhof der Apadana führen im Osten eine mit Reliefs verzierte Treppe und ein Torbau zum privaten Bereich der Anlage, dem Palast des Dareios und dem des Xerxes sowie dem »Harem«, einer Gruppe von Einzelwohnungen, in denen wohl die Frauen untergebracht waren. Beiden Palästen, deren Zentren große, von Wohn- und Schlafgemächern umgebene Hallen bilden, ist je ein Portikus vorgelagert. Vielleicht befand sich zwischen den Palästen ein Gartenareal, zu dem sich der Palast des Dareios nach Süden und der des Xerxes nach Westen öffnete.Vom »Tor der Länder« leitet ein ca. 20 m breiter und ca. 200 m langer Weg zu einem ähnlichen Torbau. Durch ihn gelangt man, sich nach Süden wendend, auf einen großen Hof. Links, also im Osten, liegen in ihrer Funktion unterschiedlich interpretierte Gebäude, ein Gästehaus, eine Großküche, Beamtenwohnungen. Im Süden findet sich aber der »100-Säulen-Saal«. Sein Dach wurde einst tatsächlich von einhundert Säulen getragen. Man rätselt, welche Funktion er hatte. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass er die Kanzlei war, in der eine Vielzahl von Schreibern und Buchhaltern mit der Verwaltung des Achaimenidenreichs oder zumindest der Provinz Persis beschäftigt war. Die den Saal umgebenden schmalen Räume könnten als Archive gedient haben. Dass wir hier in einem Teil der Anlage sind, die wohl administrative Funktion hatte, zeigt auch das südlich daran anschließende »Schatzhaus«, ein nach außen abgeschlossener Komplex von Hallen und Höfen.In Susa, der alten elamischen Hauptstadt, ließ Dareios einen Palast und eine Apadana erbauen, die denen von Persepolis ähneln. Die Apadana von Susa hat, wie in Persepolis, eine von 36 Säulen getragene zentrale Halle und drei Portiken. Sie war, babylonischen Vorbildern folgend, mit Reliefs aus glasierten Ziegeln verziert. Südlich von ihr liegt ein um drei Innenhöfe gegliederter Palast, wesentlich größer als der Palast des Dareios in Persepolis. Aus einer Gründungsinschrift des Dareios erfahren wir, wer am Bau des Palastes beteiligt war und woher die Materialien kamen. So hat sich ein schriftliches Zeugnis jener Kultursynthese erhalten, welche die neue, imperiale Kunst der Achaimeniden ausmachte; sie sollte hinfort den iranischen Orient und den Mittelmeerraum mitprägen.Prof. Dr. Heinz Gaube
Universal-Lexikon. 2012.